Jazzline N 77033 (CD) / N 78033 (LP)
ALSO AVAILABLE IN VINYL 180g DIRECT METAL MASTERING
Steppin’ Out
Beschreibung
Ähnlich den aus einer anderen Ära stammenden Art Blakey & The Jazz Messengers, war auch Steps Ahead im Lauf der vergangenen vier Jahrzehnte gleichsam eine Art Schule für junge, talentierte Musiker, die ihre Karriere in dieser Band begannen. Angehende Stars wie die Saxophonisten Donny McCaslin und Bendik, die Gitarristen Jimi Tunnel und Bryan Baker, die Keyboarder Eliane Elias und Rachel Z, die Bassisten Etienne Mbappe und Richard Bona waren mitglieder dieser bekannten New Yorker Fusion Gruppe.
Gegründet wurde die Band 1979 vom Vibraphonisten und Komponisten Mike Mainieri. Mit dabei waren damals der Tenorsaxophonist Michael Brecker, der Drummer Steve Gadd, der Bassisten Eddie Gomez und der Pianisten Don Grolnick. Steps diente vor allem als Vehikel für Gigs im 7th Avenue South Nachtclub (an dem die Brecker Brothers beteiligt waren). Die Gruppe nahm drei Alben unter dem Namen Steps auf (darunter 1980 auch das hervorragende Livealbum Smokin’ in the Pit, das im Pit Inn in Tokyo aufgenommen wurde), bevor sie den Namen 1982 in Steps Ahead änderten. Während der 80er, 90er Jahre und auch im neuen Jahrtausend tourte die Band und nahm regelmäßig Alben auf, wobei Mainieri die einzige personelle Konstante in der sich ständig verändernden Besetzung war. „Die Musik von Steps Ahead war immer vielschichtig,“ erklärt Mainieri. “Manches war rockiges Material, anderes mehr folk-artig. Wir haben im Lauf der Jahre wirklich das gesamte Spektrum durchlaufen.“
Mit Steppin’ Out, einem gemeinsamen Projekt der Gruppe mit der WDR Big Band Köln, kann Mainieri einige klassische Kompositionen von Steps Ahead in einem „neuen Gewand“ realisieren, dank dem in Brooklyn geborenen Arrangeur und Dirigenten Michael Abene, der diese erstklassige Bigband 10 Jahre lang als Chedirigent leitete und bereits ähnliche Kooperationen mit Musikern wie Joe Lovano, John Scofield, Mike Stern, Hiram Bullock, Maceo Parker, the New York Voices und Patti Austin betreute. “Es ist wirklich interessant ihn die Stücke neu interpretieren zu hören,“ sagt Mainieri, der Abene seit über 50 Jahre kennt. „Ich habe ihn 1962 zum ersten Mal spielen gehört. Wir musizierten beide abwechselnd im Birdland. Er war in Maynard Fergusons Band, ich in Buddy Buddy Rich´s Sextett. Es endete damit, dass ich ihn 1963 für einen Auftritt in Las Vegas mit Buddy´s Sextett engagierte. Ich werde den Tag an dem wir in Las Vegas ankamen nie vergessen. Es war der Tag an dem Präsident Kennedy einem Attentat zum Opfer fiel. Wir kamen an und in Las Vegas gingen für eine Woche die Lichter aus, was einmalig war. Las Vegas ohne Lichter. Wir hingen also eine Woche nur herum und danach spielten wir sechs Wochen mit Buddy´s Sextett in der Lounge. In dieser Zeit haben wir uns wirklich kennengelernt und blieben Freunde über all die Jahre. Für mich ist das also auch eine Art von Wiedersehen mit Mike nach all den Jahren und es war herrlich zu sehen, wie er und ich die Verbindung mit der Musik herstellten. Ich könnte mir keinen talentierteren Musiker vorstellen, der besser auf diese Musik eingehen könnte.“
Abenes musikalischer Beitrag erschließt sich in den neuen Intros, Zwischenspielen und den subtilen Abstimmungen, der reichen Stimmhaftigkeit und den gekonnt gesetzten Kontrapunkten zu klassischen Stücken von Steps Ahead, wie Don Grolnicks „Pools” (aus dem 1983er Album Steps Ahead), Mainieris eindringlich swingendem „Steppish” (aus 1992 Yin-Yang) und „Blue Montreux” (der Titelnummer des Livealbums der Arista All-Stars aus 1979 featuring Mainieri, aufgenommen beim Montreux Jazz Festival). Aber Abenes beste Leistung als Arrangeur auf Steppin’ Out dürfte wohl sein wunderbares Arrangement für Mainieris ergreifendes und lyrisches „Self Portrait” (aus 1983 Modern Times) sein.
Die All-Stars Band, die gemeinsam mit Mainieri bei diesem herausragenden Zusammentreffen mit der WDR Big Band dabei ist, besteht aus dem Tenorsaxophonisten und früheren Miles Davis Sideman Bill Evans, Schlagzeuger Steve Smith, Gitarrist Chuck Loeb und dem Bassisten Tom Kennedy. Alle von ihnen sind unbestritten Spitzensolisten, wie sie gekonnt in „Pools“ zu Beginn beweisen und jedem einen Vorgeschmack auf das Kommende geben. Evans zeigt sich auch in „Blue Montreux“ von seiner besten Seite und beteiligt sich an der „Tenor-Battle“ mit dem WDR Tenor-Burner Paul Heller im „Giant Steps“ Solo-Abschnitt von „Oops“ (aus Modern Times).
Während Evans nach dem Tod des Saxophonisten Bob Berg im Jahr 2002 begann mit Steps Ahead aufzutreten, reicht die Zusammenarbeit von Loeb und Kennedy mit der Band bis in die 80er Jahre zurück. „Chuck Loeb war der erste E-Gitarrist der mit Michael Brecker und mir gespielt hat,“ erinnert sich Mainieri, „und Tom Kennedy war der erste E-Bassist der mit uns spielte. Victor Bailey folgte ihm im Line-Up. Daher war es wunderbar, diese einmaligen Musiker für dieses Projekt zu gewinnen.“
Evans, der in Steppin’ Out durchweg im Tenor mit großer Intensität spielt, wechselt im sich langsam steigernden „Beirut“ (aus 1986 Magnetic) zum Sopran. Abene setzt in dieser Nummer auf eine dynamische Bigband Orchestrierung, während Schlagzeuger Smith ein virtuoses Solo abliefert und sich dabei selbst mit südindischem karnatischen Konokol Gesang begleitet. Die für Mainieri besonders typische Ballade „Sara’s Touch” (vom Soloalbum Wanderlust aus 1981) ist eine lyrische Darbietung, die als sein Gegenstück zu „Chelsea Bridge” oder „New York State of Mind” verstanden werden kann. Der Posaunist des WDR Andy Hunter liefert in dieser fesselnden Nummer ein wunderschönes Posaunen-Solo und beteiligt sich an einem temperamentvollen Frage-Antwort Spiel mit dem Tenorsaxophon von Evans. „Ich hatte schon ein schönes Big Band Arrangement von ‚Sara’s Touch,‘ sagt Mainieri, „aber Michael ist es auf eine ganz andere Weise angegangen mit diesem wunderbaren Intro und seiner speziellen Art der Reharmonisierung. Er wählte einen folkish-choralen Zugang zu dem Stück und das gefällt mir wirklich sehr gut.“
Die Sammlung schließt kraftvoll mit „Trains“ (aus Magnetic), die ein Tenor-Solo von Evans und ein Solo von Loeb beinhalten. Abenes reiche Orchestrierung steigert die Wirkung dieser Hymne aus den 80er Jahren enorm.
Diese lange überfällige Reunion zweier alter Freunde lieferte glänzende Resultate. Wenn ein visionärer Arrangeur auf einen virtuosen Vibraphonspieler und seine ausgezeichnete Crew trifft, dann sprühen die Funken.
-- Bill Milkowski
Bill Milkowski verfasst regelmäßig Beiträge in den Magazinen Down Beat und Jazzthing. Er ist auch der Autor von “JACO: The Extraordinary and Tragic Life of Jaco Pastorius” (Backbeat Books)