Jazzline N 77040 (2CD) / N 78040 (3LP)
ALSO AVAILABLE IN VINYL 180g DIRECT METAL MASTERING
Beschreibung
Feuer im Eis
oder
Welcome back from Heaven!
Wer wohl wann auf die Idee verfiel, den texanischen Blues-Musiker Albert Collins mit lauter Markenzeichen aus Eis auszustatten: ihn selber als „The Iceman“ zu titulieren und eine der zentralen Produktionen vom Ende der 70er Jahre mit „Ice picking“ zu überschreiben. Schon die Musik des jungen Collins, 1932 in Leona/Texas geboren, wurde ja als besonders „cool“ gerühmt; und die Band, mit der Albert Collins da am 1. Dezember 1980 in „Onkel Pö’s Carnegie Hall“ am Eppendorfer Lehmweg in Hamburg die Nudelbrett-Bühne entert, sind natürlich „The Icebreakers“, die Eisbrecher. Ebenso natürlich sind aber keinerlei Kälte-Barrieren zu brechen an diesem Winterabend, schon gar nicht im gesteckt vollen „Pö“, in dem sicher (wie so oft) eher tropische Temperaturen geherrscht haben mögen. Extrem animiert und enthusiastisch geht die hanseatische Blues-Gemeinde mit und bereitet dem Gast aus Texas nichts weniger als ein rauschendes Fest.
Im selben Jahr entstand ja ein Mitschnitt im „Rockpalast“ des WDR; und wer jetzt, so viele Jahre später, auch den Collins-Besuch in Hamburg hört, spürt sehr deutlich die Begeisterung, die Albert Collins in Europa damals ausgelöst haben muss. „Blues am Dienstag“ hieß in jener Zeit übrigens der Radio-Stammplatz im NDR für die Blues-Aficionados; ohne jede private Konkurrenz prunkten die Öffentlich-Rechtlichen noch mit solchen Spezialitäten. Goldene Zeiten, lange vorbei …
Zurück zur Kälte und zum Eis … nur ausgefuchste Gitarren-Spezialisten können sich diese Charakterisierungen ausgedacht haben. Denn wer will, kann sich den Collins-Ton auf der Fender-„Telecaster“-Instrument ja tatsächlich wie geschnittenes oder „gecrushtes“ Eis vorstellen: zuweilen schneidend scharf, speziell in den höheren Regionen, als begänne gerade die dünne Oberfläche auf dem See zu brechen. Darunter aber brodelt es immer, das kann keiner leugnen – Albert Collins ist allemal einer, der ziemlich „hot“ vom Blues erzählt, wie er ihn kennen gelernt hat.
Lightnin‘ Hopkins war ein Cousin und ebenfalls aus Leona, der Organist Jimmy McGriff war das erste Vorbild für den jungen Albert aus Texas; noch bevor er zur Gitarre wechselte. Mit 18 gründet er die erste Band, die „Rhythm Rockers“, zwei Jahre später (als er Clarence „Gatemouth“ Brown sieht und hört) entscheidet er sich für die Gitarre, die ihn lebenslang begleiten wird. Houston ist bald das Blues-Revier für Albert Collins; und er entwickelt das mit der Zeit weithin und auch bei Platten-Produzenten und im Kollegen-Kreis überaus geschätzte Profil als Gitarrist und Sänger. Es gehen aber fast zwei Jahrzehnte ins Land, bevor Collins auch das Publikum in Europa für sich begeistern kann. Als er Anfang Dezember ins „Onkel Pö“ kommt, ist das immer noch eine der ersten Reisen in die Alte Welt. 1978 war er Gast der holländischen „Barrelhouse“-Band gewesen, und das war der erste Auftritt überhaupt außerhalb der USA. Eine LP dokumentierte die Begegnung; mit „Onkel Pö“ (und „Rockpalast“) hat sozusagen das „europäische“ Jahrzehnt für Albert Collins begonnen. 1985 war auch er Teil vom „Live Aid“-Projekt und kam auch zur EXPO nach Sevilla, weltweit gastierte er jetzt auf den Festivals. Und Kollegen auch aus dem avantgardisten Jazz setzten auf Collins: John Zorn etwa für das „Spillane“-Projekt. Aber Albert Collins stirbt schon 1993, nur 61 Jahre alt – in den Jahren zuvor hatten jüngere Blues-Meister wie George Thorogood oder Robert Cray speziell ihn als Inspiration entdeckt und seine Nähe gesucht und gefunden. Sein Name zierte die Star-Liste beim Montreux Jazz Festival, und um die Ecke am Genfer See, in Nyon beim Paleo-Festival, brach aber schließlich auch die tödliche Krankheit durch.
Der Mitschnitt aus dem „Onkel Pö“ beinhaltet tatsächlich das komplette Konzert; inklusive 20 Minuten Eröffnung mit den „Icebreakers“ um Saxophonist A.C. Reed und Schlagzeuger Casey Jones (die beide auch singen) – und erst ab „Listen here“ ist Albert Collins selbst der Herr im Hause, und er scattet und spielt Gitarre in parallelen Läufen. Ganz am Schluss zäumt er auch den beliebten Zirkusakt mit dem in zwei Stimmen „sprechenden“ Instrument auf … Nach gut einer Stunde für den ersten Teil beginnt übrigens auch die zweite Hälfte wieder mit vier Intro-Stücken, vor allem als Feature für Saxophonist A.C. Reed und wieder, wie zu Beginn, auch mit Klassikern wie „Stand by me“, bevor dann (mit „Mustang Sally“) Mister Collins himself zurück kehrt ins Zentrum. Immer übrigens im Moment des ersten Collins-Sounds gibt’s erstaunliche harmonische Verschiebungen – vielleicht hat der Meister am „Telecaster“ diesen wieder „offen“ und mit Kapodaster gestimmt: das war eines der Markenzeichen am Beginn der Karriere.
Ein sehr eigenständiger und eigenwilliger Blues-Meister ist hier noch einmal zu erleben, und das grandios stimmungsvolle „Onkel Pö“ mit dem furiosen Hamburger Publikum macht die Begegnung auch nach über dreieinhalb Jahrzehnten erst so recht zum Ereignis – zur „Showtime“: mit dieser Ankündigung steigt Collins jeweils auf die Bühne. Welcome back from heaven, Mister Albert!
Michael Laages